Es gab durchaus einen echten Modemoment in Paris. Eine Show, bei der die Zuschauer jubelten, Standing Ovations gaben und aus dem Zelt strömten, um jedem draußen zu erzählen, was sie gerade gesehen hatten. Es war bei der Schau der italienischen Marke Valentino. Als gerade alle Models den Laufsteg verlassen hatten, stapften die beiden Schauspieler Ben Stiller und Owen Wilson unter großem Hallo ins Scheinwerferlicht – und machten Werbung. Für die Fortsetzung der Mode-Komödie Zoolander.

Dass ausgerechnet eine US-Komödie aus dem Jahr 2001 bei den Pariser Modenschauen für den Herbst 2015 die Leute von den Sitzen holt, ist symptomatisch. Man hatte das Gefühl, der große Spaß liegt Jahrzehnte zurück. Wer Kleidung sehen wollte, die wirklich ungewöhnlich war – so ungewöhnlich, dass man sich fragen musste, ob diese Mode eigentlich noch irgendetwas mit einem tragbaren Look zu tun hat – der musste nur ins Publikum schauen. In den Sitzreihen entlang der Laufstege gab es alles, was auffällt: pinke Paillettenkleider, Chiffon, der mehr nackt macht als anzieht, Schaftstiefel mit bunten Tattoo-Mustern. Mehr denn je waren die Präsentationen von Menschen bevölkert, die offenbar der Auffassung waren, die eigentliche Sensation der Pariser Modewoche seien nicht die Entwürfe der Designer – sondern sie selbst. Mancherorts lauerten mehr Fotografen vor den Pforten um dort "Streetstyles" aufzunehmen, als drinnen am Ende der Laufstege standen.

Die fotografierten dafür Menschen, die zweifelsohne geschmackvoll gekleidet waren – die Models in den neuen Kollektionen.

Ledermantel von Celine © Getty Images

Da sah man bei Louis Vuitton Mäntel aus feistem Lammfell. Die Designerin Phoebe Philo hat für Céline nachtblaue Ledermäntel entworfen, die an der Trägerin herab zu fließen scheinen wie Wasser. Und dann natürlich die Kollektion der neuen Hermès-Designerin Nadège Vanhee-Cybulski: perfekt geschnittene Trapezmäntel aus Leder. Und so könnte man fortfahren. Diese Mode hat keine Fragen offen gelassen – es war für jeden etwas dabei. Die Kollektionen sind sozusagen breit aufgestellt. Und was einmal gut lief, das läuft bestimmt auch nächste Saison noch akzeptabel.

Was hat die Welt denn noch nicht gesehen?

Ein gutes Beispiel dafür ist die Marke Saint Laurent unter der gestalterischen Ägide von Hedi Slimane. Seit Slimane das etwas ins damenhafte abgeglittene einstige Yves Saint Laurent um 45 Jahre verjüngt und auf Grunge-Power getrimmt hat, läuft der Laden so gut, dass die Konkurrenz blass wird. Slimanes Mode jedoch verändert sich von Saison zu Saison nur im Nanobereich. Nicht, dass die Sachen schlecht aussähen. Slimane versteht es, seiner gut betuchten Kundin das Gefühl zu geben, mit seinem Style werde sie zur energiegeladenen Rockgöre, die ihr ganzes Leben noch vor sich hat. Allerdings scheint Slimane dabei nicht der Ehrgeiz zu treiben, etwas zu schaffen, das die Welt noch nicht gesehen hat. Manchmal hat es die Welt sogar ganz ähnlich schon gesehen. Slimane zeigte in Paris einen bunt gefärbten Pelzmantel. Einige Tage zuvor hatte schon das wesentlich günstigere Label Zadig & Voltaire bunte Pelze gezeigt. Man muss nicht wie die Trendforscherin Li Edelkoort in einem aktuellen Manifest gleich "vom Ende der Mode" sprechen. Dennoch: Früher kopierten die günstigen Marken den Stil der Luxuslabels – jetzt funktioniert es offenbar auch anders herum.

Was ändert sich also in der Mode. Hat sich etwas geändert? In Paris ist fast untragbar viel Tragbares gezeigt worden. Und wenig, was für eine Provokation gut wäre. 

Camouflage-Mantel und -Hose von Dior © Victor Virgile/​Gamma-Rapho via Getty Images

Luxus-Modehäuser haben in den vergangenen Jahren vor allem versucht, ihre Markenidentität zu pflegen, indem sie besonders aufwendige Modelle präsentierten, Philosophien zum Anziehen. Dafür standen etwa die Kollektionen von Raf Simons bei Dior. Anfangs präsentierte er dort Kleider, die man auf den ersten Blick kaum verstehen konnte, die einfach und gleichzeitig undurchdringlich waren. Die Dior-Idee für den kommenden Winter ist weniger rätselhaft: abstrahierte Leopardenprints und bunte Camouflage-Drucke.

Ein Imperium zerfällt

Die Mode, sie soll dieser Tage kein Geheimnis mehr haben, sie soll schnell begreifbar und gut verkäuflich sein. Keine neue Anforderung, klar, Mode sollte schon immer verkäuflich sein. Oder zumindest so attraktiv, dass ihr Name etwas anderes verkaufen konnte, Kosmetik oder Düfte. Und doch ändert sich gerade etwas. Früher war es für Modemarken leicht, ein klares Image von sich in die Welt zu setzen. Die aufwendigen Anzeigenkampagnen, mit denen Modemagazine gespickt wurden, sendeten unmissverständliche Botschaften. Heute haben die Marken die Hoheit über den Stil verloren. In Zeiten von Instagram und Modeblogs sind die Köpfe der Menschen voller starker Bilder und es ist für Modemarken schwer zu kontrollieren, welches Bild sie darauf abgeben. Für die aktuellen Kollektionen bedeutet das: Man weiß nicht recht, was man machen soll – also will man vor allem nichts Falsches machen. Man variiert Bewährtes und wartet ab. 

Die Marken, die in Paris am deutlichsten schneiderten, waren deswegen die kleinen. Zum Beispiel der libanesische Designer Rabih Kayrouz. Oder das japanische Label Sacai, das einen hochgeschlossen taillierten Mantel in unzähligen Variationen zeigte – zum Teil völlig demontiert mit Einnähern aus dünner Baumwolle. Und manch einer war mutig, weil er nichts zu verlieren hat. So wie der deutsche Designer Wolfgang Joop mit seinem Label Wunderkind. Der kokettierte mit seiner Vergänglichkeit: "Ich spare auf nichts, wenn ich einmal nicht mehr bin, muss ich nichts hinterlassen." Also bedruckte er seine Kleider mit Bildern antiker Statuen. Dieses Motiv nannte Joop "Falling Empire". Manchmal muss ein Imperium erst einmal auseinanderfallen, damit etwas Neues entstehen kann.